UCBCares bietet Unterstützung für Menschen mit Epilepsie.UCBCares bietet Unterstützung für Menschen mit Epilepsie.

Epilepsie und Führerschein

Für viele Menschen ist das Autofahren ein fester Bestandteil ihres Alltags. Der Führerschein bedeutet Unabhängigkeit und uneingeschränkte Mobilität und scheint für die Tagesplanung vieler Menschen unabdingbar: ob hinsichtlich der Fahrt zur Arbeit, zum Einkaufen, zu Terminen oder für den Fahrdienst für Kinder und andere Angehörige. Hier bilden Menschen mit Epilepsie keine Ausnahme. Ein epileptischer Anfall kann beim Autofahren zu schweren Verkehrsunfällen führen und stellt daher eine Gefahr für alle Verkehrsteilnehmer:innen dar.

Grundsätzlich gilt: Wer epileptische Anfälle erleidet, ist nicht in der Lage, ein Kraftfahrzeug zu führen, solange ein wesentliches Risiko für erneute Anfälle besteht. Auch nach einem einmaligen epileptischen Anfall tritt zunächst ein Fahrverbot in Kraft. Darüber hinaus gibt es genaue Richtlinien für die Wiedererlangung eines Führerscheins bei Epilepsie.

Eine Frau sitzt neben ihrem Fahrlehrer im Auto.

Das Fahrverbot bei Epilepsie ist für viele nach der erschütternden Diagnose ein zusätzlich einschneidendes und den Alltag veränderndes Ereignis. Knapp 60 bis 70 % aller Epilepsie-Patient:innen werden unter der richtigen Medikation anfallsfrei, so dass das Autofahren trotz Epilepsie nicht dauerhaft ausgeschlossen ist, sondern nur einen vorübergehenden Zustand darstellt. Das ärztliche Personal trifft die Entscheidung zur Fahrtauglichkeit auf Basis der aktuellen BASt-Richtlinien (Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung der Bundesanstalt für Straßenwesen, Juni 2022) und dadurch, ob die Patient:innen ein Kraftfahrzeug führen dürfen oder nicht. 

Nach den aktuellen BASt-Leitlinien gilt grundsätzlich: Wer epileptische Anfälle erleidet, ist nicht in der Lage, ein Kraftfahrzeug zu führen, solange ein Risiko für wiederholte Anfälle besteht. Für die Beurteilung der Fahreignung sind nach der Diagnose Epilepsie oder nach einem einmaligen Anfall jährliche Untersuchungen in der behandelnden Facharztpraxis erforderlich. Bei einer langjährigen Anfallsfreiheit können die zeitlichen Abstände zwischen den Untersuchungen verlängert werden.

Die BASt-Leitlinien unterscheiden aufgrund der verschiedenen Anforderungen an die Fahreignung zwei Gruppen, für die unterschiedliche Regelungen gelten:

PKW, Motorrad, Trike, Quad und Zugmaschinen (Gruppe 1)

Epilepsie-Patient:innen dürfen unter den folgenden Bedingungen PKW, Motorrad, Trike, Quad und Zugmaschinen (Gruppe 1: Fahrzeuge der Klassen A, A1, A2, B, BE, AM, L, T) fahren bzw. ihnen kann die entsprechende Kraftfahreignung wieder zugesprochen werden:

Erstmaliger Anfall:

  • nach einer anfallsfreien Zeit von mindestens 6 Monaten: nach einem unprovozierten erstmaligen Anfall, wenn es keine Hinweise auf ein grundsätzlich erhöhtes Anfallsrisiko im Sinne einer beginnenden Epilepsie gibt
  • nach einer anfallsfreien Zeit von mindestens 3 Monaten: wenn die anfallsbedingten Umstände nicht mehr gegeben sind

Bei der Diagnose Epilepsie:

  • nach einer anfallsfreien Zeit von mindestens 1 Jahr
  • bei einfachen fokalen Anfällen, ohne Bewusstseinsstörung und ohne motorische, sensorische oder kognitive Behinderungen, bei denen nach mindestens 1-jähriger Beobachtungszeit keine fahrrelevante Ausdehnung der Anfallssymptomatik und kein Übergang zu komplex-fokalen oder sekundär generalisierten Anfall erkennbar wurden

Bei einem erneuten Anfall:
(nach langjähriger Anfallsfreiheit oder mehreren Anfällen innerhalb von 24 Stunden)

  • nach einer Fahrpause von 6 Monaten, sofern die Untersuchung keine Hinweise auf eine erhöhte Gefahr einer Anfallswiederholung gibt.

Bei der Beendigung der Epilepsie-Therapie:

  • Personen, die fahrtauglich sind, dürfen kein Fahrzeug führen, solange Epilepsie-Medikamente reduziert werden und mindestens 3 Monate nach der letzten Medikamenten-Einnahme.

LKW und beruflicher Personentransport/Bus (Gruppe 2)

Die Richtlinien für das Führen eines Lastkraftwagens (LKW), eines Busses bzw. für die Beförderung von Personen (beruflicher Personentransport) sind wesentlich strenger. Generell gilt, dass die Fahreignung für die Gruppe 2 (Gruppe 2: Fahrzeuge der Klassen C, C1, CE, C1E, D, D1, DE, D1E und die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung) nur dann erteilt werden darf, wenn die betroffene Person keine Anti-Anfallsmedikamente einnimmt.

Unter folgenden Bedingungen sind Epilepsie-Patient:innen für das Führen eines LKW und den beruflichen Personentransport geeignet:

Erstmaliger Anfall:

  • nach einer anfallsfrei gebliebenen Zeit von mindestens 2 Jahren: nach einem unprovozierten erstmaligen Anfall, wenn es keine Hinweise auf ein grundsätzlich erhöhtes Anfallsrisiko im Sinne einer beginnenden Epilepsie gibt
  • nach einer anfallsfrei gebliebenen Zeit von mindestens 6 Monaten: wenn die anfallsbedingten Umstände nicht mehr gegeben sind

Bei der Diagnose Epilepsie:

  • Wird die Diagnose einer Epilepsie gestellt – sind also wiederholt Anfälle aufgetreten oder besteht ein erhöhtes Risiko für ein Wiederauftreten der Anfälle nach einem ersten Anfall – bleibt die Kraftfahreignung dauerhaft ausgeschlossen.
  • Als Ausnahme gilt eine 5-jährige Anfallsfreiheit ohne medikamentöse Therapie.

Neuerwerb des Führerscheins

Wenn Epilepsie-Patient:innen einen Führerschein neu erwerben möchten, sollten sie dies zunächst mit der Ärztin/dem Arzt besprechen. Die Ärztin bzw. der Arzt hat die Pflicht, die Patient:innen auf der Grundlage der geltenden Leitlinien zu beraten und darüber aufzuklären, ob sie tauglich sind, ein Kraftfahrzeug zu führen oder nicht.

Im Führerschein-Antragsformular der Straßenverkehrsbehörde wird das Vorliegen einer Epilepsie abgefragt. Diese Frage muss wahrheitsgemäß beantwortet werden. Ein Attest der behandelnden Fachärztin/des behandelnden Facharztes über die Fahrtauglichkeit sollte dem Antrag am besten beigelegt werden. Wenn die Frage nach einer Epilepsie oder epileptische Anfällen im Antragsformular offen gelassen wird, ist es wichtig, dass von der behandelnden Neurologin/dem behandelnden Neurologen eine bestehende Fahreignung nach den Begutachtungsleitlinien dokumentiert wird. Im Falle eines Unfalls liegt die Beweislast der Fahreignung bei der Person, die das Kraftfahrzeug geführt hat. Die Straßenverkehrsbehörde entscheidet dann, ob ein weiteres Gutachten erforderlich ist. Dieses weitere Gutachten zur Beurteilung der Fahrtauglichkeit wird von bestimmten Fachärzt:innen, z. B. solchen mit einer verkehrsmedizinischen Qualifikation, oder Ärzt:innen des Gesundheitsamts oder der öffentlichen Verwaltung erstellt. Die behandelnden Ärzt:innen dürfen mit den Ärzt:innen, die das Gutachten erstellen, nicht identisch sein.

Nachteilsausgleich bei dauerhafter Fahruntauglichkeit

Da Epilepsie eine chronische Erkrankung ist, ist die Voraussetzung für die Beantragung eines Grad der Schädigung (GdS), früher auch als Grad der Behinderung (GdB) bezeichnet, gegeben. Ab Grad 50 erhalten Betroffene einen Schwerbehindertenausweis, bei einem Grad über 30 können Betroffene auf Antrag von der Agentur für Arbeit schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden.

Ein Geschäftsmann im Anzug steigt in einen Zug ein.

Liegt eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vor, kann ein besonderer Nachteilsausgleich durch das Merkzeichen „G“ bewilligt werden. Mit diesem Merkzeichen kann für circa 80 Euro eine für 1 Jahr gültige Fahrkarte für den bundesweiten öffentlichen Personennahverkehr erworben werden. Darüber hinaus gibt es in § 9 der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) im Rahmen der Teilhabe am Arbeitsleben die sogenannte Härtefallregelung, nach der ein behinderter Mensch hinsichtlich der Beförderung bezuschusst werden kann: wenn er das Fahrzeug nicht selbst führen kann oder darf und auch nicht gewährleistet ist, dass eine dritte Person das Kraftfahrzeug für die betroffene Person führt. Sind Epilepsie-Patient:innen bei ihrer Arbeit auf ein Auto angewiesen, können sie im Rahmen der sogenannten Arbeitsassistenz Hilfe beantragen. Das Autofahren wird dann entweder durch Assistent:innen übernommen oder extern durch Fahrdienstleister wie Taxi-Unternehmen. Weitere Informationen gibt es bei den lokalen Integrationsämtern.

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Letzte Aktualisierung: Oktober 2023