Das Bild zeigt die drei Patientenbotschafter Anja, Sarah und Jerome.Das Bild zeigt die drei Patientenbotschafter Anja, Sarah und Jerome.

Transition bei Epilepsie:
Wechsel der ärztlichen Betreuung zwischen Kindheit und Erwachsensein

Übergänge prägen unser Leben – etwa der Schritt vom Kindergarten in die Schule oder vom Schulabschluss ins Berufsleben. Solche Phasen können spannend sein, aber auch herausfordernd. Für junge Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Epilepsie bringt das Erwachsenwerden eine besondere Veränderung mit sich: den schrittweisen Wechsel von der kinder- und jugendmedizinischen hin zur erwachsenenorientierten Versorgung. In der Medizin wird dieser Übergang als „Transition“ bezeichnet – ein geplanter Prozess, der mehr umfassen sollte als das bloße Weiterreichen der Krankenakte.

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„In Deutschland können Jugendliche bis zum Abschluss ihrer körperlichen Entwicklung von Fachärzten für Kinder- und Jugendmedizin betreut werden. Mit dem 18. Geburtstag (in Ausnahmefällen auch später) muss dann in der Regel ein Wechsel in die erwachsenenorientierte Gesundheitsversorgung stattfinden.“
S3-Leitlinie‚ „Transition von der Pädiatrie in die Erwachsenenmedizin“

Ein wichtiger Schritt für junge Menschen mit Epilepsie

Mit dem Übergang vom Jugend- ins Erwachsenenalter verschieben sich die Verantwortlichkeiten: Haben zuvor die Eltern und die Neuropädiaterin/der Neuropädiater die Verantwortung für die medizinische Versorgung getragen, sind nun die jungen Erwachsenen mit Epilepsie zunehmend selbst dafür zuständig – sie sollten zum Beispiel lernen, eigenständig Medikamente einzunehmen oder einen Anfallskalender zu führen. Die Betreuung in der „medizinischen Erwachsenenwelt“ übernehmen dann Neurolog:innen.

Nicht immer verläuft der Transitionsprozess reibungslos. Heranwachsende – ob mit oder ohne chronische Erkrankungen wie Epilepsie – durchlaufen im Jugendalter ohnehin viele Veränderungen: Sie entwickeln sich körperlich und emotional weiter, stehen vor sozialen Herausforderungen und wünschen sich mehr Selbstständigkeit. Kommt dann auch noch der Wechsel in ein neues medizinisches Versorgungssystem hinzu, kann dies für die Betroffenen eine zusätzliche Belastung bedeuten. Im schlimmsten Fall führt dies zu Brüchen in der spezialisierten medizinischen Betreuung, und es kann zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands der chronisch erkrankten Person kommen.

Hinzu kommt: Kinder und Jugendliche mit Epilepsie sind in die medizinische Versorgung häufig wenig eingebunden und verfügen daher eventuell noch nicht über ausreichendes Wissen über ihre eigene Erkrankung. Für Eltern und andere bisher betreuende Personen ist es dagegen möglicherweise nicht leicht, Verantwortung abzugeben und die jungen Menschen in ihre Eigenverantwortung zu entlassen.

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Was braucht es für eine gelungene Transition?

Der Prozess der Transition beginnt in der Regel zwischen dem 15. und 18. Lebensjahr. Dabei gilt: Der 18. Geburtstag ist kein fester Zeitpunkt mehr, an dem die Verantwortung plötzlich wechselt. Die medizinische Leitlinie „Transition von der Pädiatrie in die Erwachsenenmedizin“ empfiehlt Ärzt:innen, den Wechsel in die Erwachsenenmedizin frühzeitig mit den Betroffenen zu besprechen – idealerweise schon zu Beginn des Jugendalters, spätestens jedoch im Alter von 16 Jahren. Gemeinsam mit den Jugendlichen und gegebenenfalls ihren Betreuungspersonen sollte der Ablauf des Transitionsprozesses geplant werden. Damit die Transition gut gelingt, sollte die Therapieverantwortung schrittweise auf die Kinder bzw. die Jugendlichen übertragen werden. Neben der medizinischen Versorgung sollten auch psychologische und soziale Aspekte berücksichtigt werden.

Eine zentrale Rolle im Transitionsprozess kommt den behandelnden Ärzt:innen zu. Ihre wichtigste Aufgabe besteht darin, die Jugendlichen schrittweise in den Behandlungsprozess einzubeziehen. Ziel ist es, dass diese ihre Erkrankung zukünftig selbstverantwortlich mit allen medizinischen und organisatorischen Aspekten managen können. Dazu gehört auch, dass altersrelevante Themen angesprochen werden, wie etwa Sexualität, der Einfluss von Alkohol, Nikotin und illegalen Drogen sowie mögliche Risikosituationen. Weitere wichtige Aspekte, über die mit jungen Erwachsenen mit Epilepsie gesprochen und über die aufgeklärt werden muss, umfassen unter anderem Fragen zu geeigneten Medikamenten, Therapieadhärenz, Mobilität, beruflicher Entwicklung, Schwangerschaft und möglichen Auswirkungen bestimmter Medikamente auf das ungeborene Kind sowie zum Risiko eines plötzlichen Epilepsietods (SUDEP).

Der Wechsel in die Erwachsenenmedizin bedeutet allerdings nicht, dass die Eltern mit Beginn der Pubertät aus dem Behandlungsprozess ausgeschlossen werden. Sie bleiben wichtige Ansprechpersonen sowohl für ihre Kinder als auch für das medizinische Team, insbesondere wenn es um weitreichende Entscheidungen geht. In dem Maße, in dem Jugendliche mehr Verantwortung für ihre Gesundheit übernehmen, ist es allerdings sinnvoll, dass Eltern schrittweise Verantwortung abgeben und eine unterstützende, beratende Rolle einnehmen. Das Behandlungsteam kann diesen Übergang durch gezielte Schulungsangebote für die Jugendlichen und Beratungsgespräche für die Eltern begleiten.

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Eine gute Vorbereitung ist das A und O

Ein zentraler Bestandteil des Transitionsprozesses ist die schriftliche Weitergabe wichtiger Informationen zur Erkrankung und ihrer bisherigen Behandlung. Für den Wechsel in die Erwachsenenmedizin sollte der oder dem Jugendlichen daher ein strukturierter schriftlicher Übergabebericht (in der Medizin auch „Epikrise“ genannt) der bisher behandelnden Ärzt:innen ausgehändigt werden.

Dieses Dokument sollte folgende Informationen enthalten:

Informationen zur Diagnose bzw. Erstdiagnose Wann und wie wurde die Epilepsie festgestellt?
Verlauf der Erkrankung und bisherigen Behandlung Welche Therapien wurden eingesetzt? Gab es Änderungen? Welche Kontrolluntersuchungen wurden durchgeführt?
Weitere Erkrankungen oder gesundheitliche Besonderheiten Gibt es Begleiterkrankungen oder andere Diagnosen? Wann sind die Begleiterkrankungen aufgetreten? Wurden Operationen durchgeführt? Gibt es bekannte Risikofaktoren?
Wichtige Untersuchungsergebnisse (Befunde) Sind aktuelle und in der Vergangenheit erhobene Elektroenzephalographie(EEG)-Befunde (auch in ausgedruckter Form) verfügbar? Liegen Befunde aus bildgebenden Verfahren wie Röntgen oder Ultraschall vor? Gibt es Ergebnisse aus Laboruntersuchungen, klinische oder genetische Befunde?
Persönliche Angaben Wie sieht die soziale und familiäre Situation aus? Gibt es Einflüsse aus dem sozialen Umfeld, die sich auf das seelische Befinden und Verhalten der Patientin/des Patienten auswirken können und berücksichtigt werden sollten?
Hinweise zu Beratungen Fanden Beratungen statt – z. B. zu genetischen Fragen, zu sozialrechtlichen Themen oder psychosozialen Aspekten?
Empfehlungen für die weitere Betreuung Welche ärztlichen Kontrollen oder Behandlungen werden empfohlen? Besteht Schulungsbedarf?
Kontaktdaten anderer Behandelnder Welche weiteren Ärzt:innen, Therapeut:innen oder Fachpersonen waren bislang an der Behandlung beteiligt?

Um den Überblick über die verschiedenen Elemente des Transitionsprozesses zu behalten, sollte der Übergang in die Erwachsenenmedizin von einer festen Ansprechperson begleitet werden. Diese koordiniert den Prozess und leitet bei Bedarf weitere Unterstützung ein. Die Aufgabe kann an eine qualifizierte Fachkraft wie eine:n Transitionskoordinator:in, Fallkoordinator:in oder Casemanager:in übertragen werden; auch ein externes Fallmanagement ist möglich. Eine wichtige Anlaufstelle ist das Berliner TransitionsProgramm (BTP), das in Zusammenarbeit von Ärzt:innen, Wissenschaftler:innen und Krankenkassen entwickelt wurde und Patient:innen und Angehörige bei Fragen rund um die Transition unterstützt.

Zum Transitionsprozess gehören zudem Schulungen, in denen Jugendliche und gegebenenfalls ihre Eltern über relevante Aspekte der Erkrankung und des Übergangs informiert werden. Ein Beispiel hierfür ist das modulare Schulungsprogramm ModuS für chronisch kranke Kinder, Jugendliche und ihre Familien. Auch digitale Medien – etwa Onlineschulungen oder Apps – können den Transitionsprozess sinnvoll unterstützen. Zusätzlich bieten manche Behandlungszentren Transitionssprechstunden an, die sowohl einen optimalen Informationsaustausch zwischen den Behandelnden als auch einen besonders sanften Übergang für Patient:innen und ihre Eltern in die künftigen Versorgungsstrukturen ermöglichen.

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Individuelle Bedürfnisse beachten

Nicht alle jungen Menschen mit Epilepsie haben die gleichen Voraussetzungen. Jugendliche mit kognitiven Einschränkungen oder einer verminderten Selbstständigkeit können ihre Erkrankung möglicherweise nicht eigenständig managen. In diesen Fällen bleiben die Eltern wichtige Ansprechpersonen und müssen weiter in die Versorgung einbezogen werden. Mit dem Erreichen des Erwachsenenalters verändern sich jedoch auch für dauerhaft betreuungsbedürftige Jugendliche die Versorgungsstrukturen. In diesen Fällen steht nicht die bzw. der einzelne Jugendliche im Mittelpunkt, sondern die Transition der/des Betroffenen gemeinsam mit den betreuenden Eltern.

Trotz dieser besonderen Ausgangslage sollten auch Jugendliche mit erheblichen kognitiven oder kommunikativen Einschränkungen so weit wie möglich in den Transitionsprozess einbezogen und altersgerecht angesprochen werden – zum Beispiel, um ihnen zu helfen, einfache Wege zu finden, wie sie über ihr Befinden oder ihre Beschwerden sprechen können.

Eltern sollten rechtzeitig darauf hingewiesen werden, dass für die Zeit ab dem 18. Lebensjahr eine gesetzliche Betreuungsregelung notwendig sein kann – denn ohne entsprechende Vollmacht dürfen sie dann keine weitreichenden Entscheidungen mehr treffen. Mit zunehmendem Alter stellt sich zudem häufig die Frage, ob die Wohnsituation neu angepasst werden muss, etwa durch einen Umzug in eine betreute Wohnform oder Pflegeeinrichtung.

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Übergang in die Erwachsenenmedizin bei Epilepsie – so könnte er aussehen

12 bis 14 Jahre
Transition ansprechen

  • Erste Gespräche finden ohne Eltern statt.
  • Die Kinder bzw. Jugendlichen lernen …
    → ihre Erkrankung und Behandlung besser zu verstehen und über sie zu sprechen.
    → mit ihrer Medikamenteneinnahme selbständig umzugehen und den Anfallskalender selbst zu führen.
  • Die Ziele und der Ablauf der Transition werden bestmöglich in einem Transitionsplan schriftlich festgehalten.

14 bis 16 Jahre
Transition besprechen

  • Aufbau eines vertrauensvollen Verhältnisses zwischen Ärzt:in und Patient:in.
  • Die Gesprächsführung findet zunehmend ohne Eltern statt.
  • Die Jugendlichen vertiefen ihr Wissen zu Erkrankung und Behandlung – z. B. zu Krankheitsentstehung und -verlauf, Begleiterkrankungen, wichtigen Kontrolluntersuchungen und Laborwerten.
  • Die Epilepsie-spezifische Checkliste zur Transition sollte bis zum Alter von etwa 16 Jahren durchgegangen werden.

16 bis 18 Jahre
Themen des Erwachsenwerdens behandeln, z. B. Themen des Erwachsenwerdens behandeln, z. B.

  • Berufswahl, Ausbildung, Schule und Mobilität (z. B. Führerschein, Wohnortwechsel).
  • Sexualität, Verhütung und Partnerschaft.
  • Umgang mit Alkohol, Drogen und gesellschaftlichen Erwartungen

Ab ca. 18 Jahren
Ende der Transitionsphase

  • Der Wechsel findet nicht automatisch mit dem 18. Geburtstag statt. Entscheidend ist die Situation der bzw. des Jugendlichen oder jungen Erwachsenen: Stabilität, Reife, Unterstützungsbedarf, Krankheitsverlauf, psychosoziales Umfeld.
  • Übergang in die Behandlung durch die Neurologin / den Neurologen → Wichtig: rechtzeitige Vereinbarung eines ersten Vorstellungstermins.
  • Erstellung eines ausführlichen Arztbriefs mit allen wichtigen Befunden.
  • Optional: gemeinsame Sprechstunde zwischen Kinder- und Erwachsenenmedizin.

Nach dem Wechsel
Kontinuität und Unterstützung sichern

  • Weiterführung der medizinischen Betreuung ohne Unterbrechung.
  • Schulungen und psychosoziale Unterstützung sind weiterhin möglich.
  • Bei besonderem Bedarf stehen spezialisierte Zentren zur Verfügung – z. B. für junge Erwachsene mit mehrfachen Beeinträchtigungen.

Fazit: Gemeinsam gut vorbereitet in die Zukunft starten

Für eine gelungene Transition braucht es Teamwork – von den behandelnden Fachkräften, den Eltern und vor allem von den Jugendlichen selbst. Mit einer guten Vorbereitung und einem klaren Plan können junge Menschen mit Epilepsie diese entscheidende Lebensphase aktiv mitgestalten und Schritt für Schritt in ein selbstbestimmtes Erwachsenendasein starten.

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Letzte Aktualisierung: Juli 2025