UCBCares bietet Unterstützung für Menschen mit Epilepsie.UCBCares bietet Unterstützung für Menschen mit Epilepsie.

Epileptische Syndrome im Kindesalter

Mit dem Fachbegriff Syndrom bezeichnet man in der Medizin eine Erkrankung, die durch das gemeinsame Auftreten bestimmter charakteristischer Krankheitsmerkmale (Symptome) gekennzeichnet ist. Ein Epilepsie-Syndrom ist dementsprechend ein Komplex aus Symptomen und die im Zusammenhang stehenden Untersuchungsergebnissen, die einen einzigartigen epileptischen Zustand mit unterschiedlichen Ursachen kennzeichnen. Dies muss mehr als einen Anfallstyp beinhalten. Ein Epilepsie-Syndrom ist ein typisches Erkrankungsbild, das gekennzeichnet ist durch eine bestimmte Form epileptischer Anfälle und zusätzliche andere Merkmale wie z. B. den Schweregrad der Anfälle, den Ort des Anfallsursprungs, die Auslösefaktoren, das Erkrankungsalter oder auch den typischen Verlauf. Wichtig ist, dass ein Epilepsie-Syndrom im Gegensatz zu einer Epilepsie-Erkrankung mehrere, verschiedenartige Ursachen und Verlaufsformen haben kann.

Die Diagnose eines Epilepsie-Syndroms kann auch bestimmte Störungen und Erkrankungen umfassen, die gleichzeitig zur eigentlichen Anfallserkrankung auftreten, wie beispielsweise kognitive und psychiatrische Störungen im Zusammenhang mit bestimmten Befunden im EEG und in der Bildgebung. Sie kann Auswirkungen auf die Erkrankungsursache, die Vorhersage des voraussichtlichen Verlaufs und die Behandlungsoptionen haben.

Epilepsie-Syndrome bei Neugeborenen und Säuglingen

Frühkindliche myoklonische Enzephalopathie (EME, Ohtahara-Syndrom)

Die frühkindliche myoklonische Enzephalopathie (EME; auch Ohtahara-Syndrom) ist eine seltene Enzephalopathie (Hirnschädigung) die gewöhnlich in den ersten Lebenstagen, manchmal wenige Stunden nach der Geburt, beginnt. Sie ist gekennzeichnet durch unregelmäßig verteilte, „herumirrende“ Myoklonien (Muskelzuckungen) in den ersten Lebensmonaten, oft begleitet von erratischen fokalen Anfällen (d. h., Anfällen mit wechselnder Lokalisation des Anfallsursprungs) und einem bestimmten EEG-Muster („Suppressions-Burst“-Muster). Auch andere Anfallstypen sind möglich, z. B. massive Myoklonien, tonische Anfälle oder generalisierte tonisch-klonische Anfälle.

In den meisten Fällen ist die Ursache der frühkindlichen myoklonischen Enzephalopathie nicht bekannt. Die Prognose ist eine der ungünstigsten aller Epilepsien. Viele der erkrankten Kinder sterben innerhalb der ersten 2 Lebensjahre. Eine andere Bezeichnung für dieses Syndrom lautet: frühkindliche epileptische Enzephalopathie mit Burst-Suppression-EEG.

West-Syndrom

Das West-Syndrom ist ein seltenes frühkindliches Epilepsie-Syndrom des Säuglingsalters, dem in der Regel eine strukturelle Hirnschädigung (Enzephalopathie) zugrunde liegt. Es tritt in der Mehrzahl der Fälle erstmalig zwischen dem 3. und 12. Lebensmonat auf (Altersgipfel: 4. bis
7. Lebensmonat).

Das Syndrom ist gekennzeichnet durch das Auftreten sogenannter „Blitz-Nick-Salaam-Krämpfe“ (BNS). Bei den als „Blitz-Nick-Salaam-Krämpfe“ bezeichneten Anfällen handelt es sich um rasche blitzartige Muskelanspannungen (epileptische Spasmen), die zusätzlich von anderen Anfallsformen begleitet werden können und in Serien (z. B. 10, 20 oder 50 der BNS-Krämpfe im Abstand von wenigen Sekunden) mit jeweils vielen Anfällen auftreten. Dabei kann es sich um fokale oder generalisierte Anfälle handeln. Je nachdem welche Muskelgruppen betroffen sind, stellt sich der Anfall unterschiedlich dar: Es kommt meist zu einem abrupten Strecken oder Beugen der Arme, Beine, des Halses oder Rumpfes.

Die Ursache kann vielfältig sein, doch liegt bei den meisten Betroffenen mit West-Syndrom eine strukturell-metabolische Ursache vor, wie Fehlbildungen des Gehirns oder Stoffwechselstörungen. Bei einem Viertel der Betroffenen ist die Ursache unbekannt. Jungen sind von der Erkrankung häufiger betroffen als Mädchen. Kinder mit einem Down-Syndrom haben ein erhöhtes Risiko, auch an einem West-Syndrom zu erkranken.

Die Erkrankung ist medikamentös besonders schwierig zu behandeln – nur ein Teil der Kinder wird durch die bisher zur Verfügung stehenden Medikamente anfallsfrei. Auch ist das Syndrom in der Regel mit einer geistigen Behinderung verbunden. Oft kommt es mit Beginn dieses Syndroms zu einem Entwicklungsstillstand, meist auch zu einem Verlust erworbener Funktionen.

Schwere frühkindliche myoklonische Epilepsie (Dravet-Syndrom)

Dieses recht seltene Epilepsie-Syndrom wird auch als Dravet-Syndrom bezeichnet. Es beginnt in der Regel zwischen dem 3. und
8. Lebensmonat mit komplizierten fiebergebundenen epileptischen Anfällen oder meist erst mit einseitigen und fokal zu bilateral tonisch-klonischen Anfällen ohne Fieber. Diese tonisch-klonischen Anfälle dauern oft besonders lange (meistens mehr als 20 Minuten) und sind in vielen Fällen nur mit Medikamenten zu stoppen. Die Anfallsunterbrechung ist vor allem im Kleinkindalter sehr schwierig, was sehr häufig eine sofortige notfallärztliche Intervention erfordert. Im Alter zwischen 1 und 4 Jahren treten zusätzliche myoklonische Anfälle auf, weiterhin kommt es oft zusätzlich zu fokalen Anfällen mit Bewusstseinsstörung, die sich ebenfalls auf beide Gehirnhälften ausbreiten können. Insgesamt zeigen die Kinder im Verlauf durchschnittlich 3 bis 4 verschiedene Anfallsformen, die kommen und gehen.

Bei 75 % bis 80 % der Betroffenen kann eine Veränderung (Mutation) im SCN1A-Gen festgestellt werden.

Insgesamt ist allerdings die Prognose für die Epilepsie als auch für die geistige und körperliche Entwicklung ungünstig. Kinder können unter anderem Verhaltensauffälligkeiten, Aufmerksamkeitsstörungen, und Störungen der Sprache und der Bewegungskoordination entwickeln. Auch ist die medikamentöse Behandlung dieses Syndroms schwierig: Oft kommt es zu einem Nichtansprechen der Anti-Anfallsmedikamente (Therapie- oder Pharmakoresistenz); dies stellt die Ärztinnen und Ärzte vor große Herausforderungen.

Epilepsie-Syndrome bei Kleinkindern

Mutter und Sohn pusten zusammen auf eine Pusteblume.

Lennox-Gastaut-Syndrom (LGS)

Das Lennox-Gastaut-Syndrom (LGS) ist Ausdruck einer schweren Hirnschädigung (Enzephalopathie). Es tritt zwischen dem 1. und
8. Lebensjahr (Altersgipfel: 3. bis 5. Lebensjahr) auf und kann sich auch aus einem anderen, vorangegangen Epilepsie-Syndrom (West-Syndrom) entwickeln. Das Lennox-Gastaut-Syndrom macht 3 bis 5 % aller kindlichen Epilepsien aus und kommt bei Jungen etwas häufiger vor als bei Mädchen. Das LGS ist gekennzeichnet durch sehr häufige Anfälle (meist mehrere pro Tag), und das gleichzeitige Auftreten mehrere Anfallsformen, insbesondere atypische Absencen, tonische Anfälle (meist im Schlaf), atonische Anfälle sowie Myoklonien (die alle zu epileptischen Sturzanfällen führen können). Gelegentlich kommt es auch zu tonisch-klonischen Anfällen. Die betroffenen Kinder zeigen in der Regel körperliche und geistige Entwicklungsstörungen.


Als Ursache kommen Enzephalopathien in Betracht. Häufig kann aber auch keine Ursache festgestellt werden. Die Prognose ist wenig vielversprechend. Die Anfälle sprechen häufig auf Medikamente nur wenig an, meist werden in der Behandlung mehrere Medikamente gemeinsam eingesetzt, dennoch kann in der Regel keine Anfallsfreiheit erreichen werden. Möglicherweise kann nach diagnostischer Abklärung eine günstige Beeinflussung durch einen Vagusnervstimulator oder einen gezielten epilepsiechirurgischen Eingriff erfolgen.

Epilepsie mit myoklonisch-atonen Anfällen (Doose-Syndrom)

Das Doose-Syndrom ist eine Epilepsie mit myoklonisch-atonen Anfällen. Dieses relativ seltene Epilepsie-Syndrom beginnt im Alter zwischen dem 1. und 6. Lebensjahr. Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen.

Kennzeichnend für dieses Syndrom sind Muskelzuckungen (myoklonische Anfälle) und plötzlicher Verlust der Muskelspannung (atone Anfälle). Die myoklonischen Anfälle bestehen in meist seitengleichen Zuckungen im Schulter-Arm-Bereich oder auch nur in Kopfnicken. Bei schweren Anfällen kommt es auch zu Zuckungen im Gesicht um den Mund herum oder der Augenlider. Während der atonen Anfälle kommt es zum plötzlichen Spannungsverlust der Muskulatur. Hierbei kann es bei leichten Anfällen z. B. nur zu Kopfnicken führen, während bei schweren Anfällen die Knie komplett einknicken können, sodass es häufig zu Stürzen und Verletzungen kommt. Myoklonische Anfälle können zusätzlich zu Stürzen führen. Myoklonisch-atone Anfälle bestehen aus einer Verbindung beider Anfallsformen mit Muskelzuckungen im Gesicht und an den Armen, nach denen es zu einem Spannungsverlust der Muskeln kommt, was wiederum Stürze verursachen kann. Auch andere Anfallsformen (tonische Anfälle und Absencen) können vorkommen. Die genaue Ursache des Doose-Syndroms ist nicht bekannt. Man geht davon aus, dass das Syndrom genetisch bedingt ist. Die Prognose des Doose-Syndroms ist gemischt. Bei manchen Kindern „verwächst“ sich die Krankheit nach mehreren Jahren. Etwa 60 % der betroffenen Kinder zeigen bei guter Anfallskontrolle eine normale Entwicklung. Bei den übrigen Betroffenen kann es jedoch in unterschiedlichem Ausmaß zu einer Einschränkung der kognitiven Entwicklung kommen.

Epilepsie-Syndrome bei Kindern

Landau-Kleffner-Syndrom (LKS)

Das Landau-Kleffner-Syndrom (LKS) ist ein seltenes, meistens mit einer Epilepsie einhergehendes Syndrom bislang unbekannter Ursache, das in der Regel im Alter zwischen dem 3. und 10 Lebensjahr auftritt (Altersgipfel: 5. bis 7. Lebensjahr). Jungen sind doppelt so häufig betroffen wie Mädchen. Die Kinder entwickeln einen zunehmenden Verlust der Sprache in unterschiedlichem Ausmaß bei ansonsten meist unauffälliger Entwicklung und normaler Intelligenz.

Meist gehen die Sprachfertigkeiten plötzlich innerhalb von Tagen oder Wochen verloren. Nur bei 1 von 4 Kindern kommt es schrittweise innerhalb von einigen Monaten zum Sprachverlust. Erste Krankheitszeichen sind Schwierigkeiten, Gehörtes zu verstehen. Einige Kinder werden stumm und manche zeigen nur leichte Störungen in der Sprachflüssigkeit oder in der Sprachmenge. Ein Symptom kann auch der Verlust der „Sprachmelodie“ sein. Das heißt, die normalen Hebungen und Senkungen in der Stimme gehen verloren.

Die Anfälle können sich im Laufe der Pubertät bis zum 15. oder 16. Lebensjahr verlieren, aber zwei Drittel der Betroffenen behalten mehr oder weniger schwere Sprachstörungen auch im Erwachsenenalter.

Panayiotopoulos-Syndrom

Das Panayiotopoulos-Syndrom wird zu den fokalen Epilepsien gezählt, die von dem Okzipital- oder Hinterkopflappen des Gehirns ausgehen. Das Syndrom ist eine relativ häufige Epilepsie-Form im Kindesalter. Das Erkrankungsalter (erstmaliges Auftreten der Anfälle) liegt zwischen 1 und 14 Jahren; in mehr als 75 % der Fälle beginnt die Epilepsie zwischen dem 3. und 6. Lebensjahr.

Das Panayiotopoulos-Syndrom kennzeichnet sich durch meist seltene, häufig jedoch längere fokale Anfälle mit autonomen Symptomen. Das Hauptmerkmal sind demnach Symptome, die das vegetative Nervensystem betreffen: Bis zu 90 % der betroffenen Kinder klagen über Übelkeit und erbrechen. Die Ausprägung der autonomen Symptome kann allerdings variieren, und oft sind die Anfälle durch eingeschränktes Bewusstsein, Reaktionslosigkeit und/oder Verwirrtheit begleitet. Weitere, nicht autonome Symptome wie unwillkürliche, nicht beeinflussbare, gleichgerichtete Bewegungen beider Augen (Blickdeviation) oder ein plötzliches Nicht-mehr-sprechen-können (Spracharrest) können auch auftreten.

Die Prognose des Panayiotopoulos-Syndroms ist sehr gut. Meist kommt es innerhalb von 1 bis 2 Jahren nach dem Erstauftreten der Erkrankung zur Anfallsfreiheit. Eine Behandlung mit Anti-Anfallsmedikamenten ist in der Regel nicht erforderlich.

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Letzte Aktualisierung: Oktober 2023